Wie Schulhöfe zu echten Begegnungsorten werden
Warum Inklusion nicht bei der Rampe endet – ein Gespräch mit Julia Kühte von „natürlich inklusiv“
Was macht einen Schulhof wirklich inklusiv? Spoiler: Es sind nicht die gelabelten Geräte. Julia Küthe von natürlich inklusiv erklärt im Interview, warum Inklusion mit einer gründlichen Analyse beginnt, was ein Schulhof mit sozialem Miteinander zu tun hat – und warum sie jedes Mal staunt, wie schnell Kinder sich neue Räume aneignen. Ein inspirierender Blick hinter die Kulissen moderner Schulhofplanung!

Julia Küthe von natürlich-inklusiv
Julia, wenn man „inklusiven Schulhof“ hört, denken viele an barrierefreie Geräte oder Rampen. Was stimmt mit diesem Bild nicht?
Das ist ein sehr reduziertes Verständnis. Viele denken bei Inklusion sofort an Rollstuhlrampen oder sogenannte „Behindertenspielplätze“. Doch das greift viel zu kurz. Ein inklusiver Spielplatz oder Schulhof ist kein Ort mit Spezialgeräten, sondern ein Raum, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit unterschiedlichen Fähigkeiten gemeinsam spielen, lernen und sich begegnen können.
Was ist dann entscheidend für einen inklusiven Schulhof oder auch Spielplatz?
Es geht um mehr als Geräte – es geht um die Gestaltung eines sozialen Raumes. Unsere Arbeit beginnt mit einer genauen Bedarfsanalyse: Wer nutzt diesen Ort? In welchem Umfeld liegt er? Geht es um eine Grundschule, einen Stadtteiltreff oder einen Park in einem sozialen Brennpunkt? Inklusion beginnt mit dem Verstehen der Umgebung – nicht mit dem Katalog eines Spielgeräteherstellers.
Wie sieht dieser Analyseprozess aus?
Wir starten immer mit der sogenannten Leistungsphase 0 – einer umfassenden Standort- und Sozialraumanalyse. Wir fragen: Wer ist die Nutzerschaft? Welche Herausforderungen gibt es im Umfeld? Wie sieht die Topografie aus? Gibt es bereits Bäume, Wasser, Schattenplätze? Welche Gruppen wurden bisher nicht mitgedacht?
Was macht dann die eigentliche Planung aus?
Ein inklusiver Schulhof braucht Vielfalt: verschiedene Zonen, unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, Angebote für Mutige und Vorsichtige, motorische und sensorische Reize. Es geht nicht darum, alles für alle gleich zugänglich zu machen, sondern Begegnungen zu ermöglichen. Ein Kind im Rollstuhl muss nicht alles beklettern können – aber es soll dabei sein können, nicht abseits sitzen müssen.
Also ist Barrierefreiheit nur ein Teil des Ganzen?
Genau. Barrierefreiheit ist die Grundlage – breite Wege, abgesenkte Bordsteine, gute Erreichbarkeit. Aber das reicht nicht. Es braucht Rückzugsorte, taktile Elemente, unterschiedliche Bodenbeläge, auch mal Wasserläufe oder zupf- und naschhafte Sträucher. Und nicht zuletzt: Plätze, wo Eltern, Geschwister oder Assistenzen sich wohlfühlen. Denn auch sie gehören zur Nutzergruppe.
Und wie bleibt ein Spielplatz auch langfristig attraktiv?
Ein guter Spielplatz und auch Schulhof sollte mindestens 15 Jahre genutzt werden können. Dafür braucht es neben guter Gestaltung auch ein Konzept für Pflege und Wartung. Wenn das Personal knapp ist, müssen Materialien besonders robust und pflegearm sein. Und: Nur ein gepflegter Ort wird auch von den Menschen respektiert.
Oft heißt es, inklusives Bauen sei zu teuer. Was meinst du dazu?
Das hören wir oft – und es stimmt so nicht. Deutsche Kommunen geben im Schnitt nur etwa 67 Cent pro Einwohner und Jahr für Spielplätze aus. In den Niederlanden sind es 4 Euro. Es gibt Fördergelder, Spenden, Stiftungen – man muss nur wissen, wie man sie nutzt. Gerade ländliche Kommunen oder Fördervereine können mit einer guten Planung viel bewegen.
Was war für dich persönlich ein überraschender Moment in deiner Arbeit?
Mich überrascht immer wieder, wie schnell sich Kinder einen neuen Platz aneignen – ganz intuitiv. Wenn ein Schulhof gut gestaltet ist, dauert es keine Minute, bis er lebendig wird. Da braucht es keine Erklärungen oder Anleitungen. Kinder wissen sofort, was sie mit dem Raum machen wollen – das ist für mich jedes Mal ein schönes Zeichen, dass wir etwas richtig gemacht haben.
Was ist dein Fazit in einem Satz?
Ein inklusiver Schulhof ist kein Ort, der allen alles bieten muss – sondern einer, der allen ermöglicht, dazuzugehören.

Höhenerfahrung